Donnerstag, 10. Mai 2012

10. Etappe: Bopfingen – Mönchsdeggingen


Wegverlauf: Bopfingen – Flochberg – Schweindorf - Christgarten – Anhausen – Mönchsdeggingen

Weglänge: 30 km


Anfahrt: Mit dem Zug nach Aalen und dort in den Zug Richtung Donauwörth umsteigen, in Bopfingen aussteigen.

Rückfahrt: Keine. Übernachtung in Mönchsdeggingen

Gelaufen am: 10.05.2011

Die nächsten beiden Etappen werde ich an zwei Tagen hintereinander laufen und am Abend dazwischen in Mönchsdeggingen übernachten. Das ist das erste Mal auf der Albumrundung, dass ich das mache. Bisher war keine Notwendigkeit dafür, weil ich immer einen Weg zurück gefunden habe am Abend. Aber bei Mönchsdeggingen ist das nicht möglich. Hier fährt zwar ein Bus zur Bahnlinie runter, aber zu einer schlechten Zeit und ohne zweite Möglichkeit. Das erschien mir zu riskant und auch zu unentspannt, wenn man bei einer langen Etappe dauernd auf die Uhr achten muss. Daher entschied ich mich für die Übernachtung. Im Internet habe ich viele verschiedene Möglichkeiten gefunden und im Voraus ein Zimmer gebucht.

In Bopfingen geht es am Bahnhof rechts bis zur Straße, dann über den Bahnübergang und dann Achtung: geradeaus. Ich bin links gelaufen, weil ich das rote Dreieck falsch interpretiert habe. Nach 200m kam mir der Weg nicht richtig vor und ich sah auch kein weiteres rotes Dreieck bis ich begriff, dass ich unterhalb des Schlossbergs stand und das falsch war. Also lief ich wieder zurück zur Strasse und bin links hoch gelaufen. Man kommt in den Vorort Flochberg. Und weil es Mai ist stand dort ein wunderschöner Maibaum wie man ihn vor allem aus Bayern kennt. Da ich unbedingt auf die Ruine wollte bin ich hier nach links abgebogen. Der Weg zur Ruine hoch ist mit braunen Schildern ausgewiesen. Den kann man wirklich nicht verfehlen. Und es hat sich gelohnt! Zu dieser Ruine werde ich sicherlich nochmals gehen. Dadurch dass bereits Mai war, war das grüne Gras schön saftig. Die Mauerreste ragten aus dieser üppigen Vegetation heraus wie Ruinen in Cornwall. Grillen zirpten. Ein Paradies. Man kann oben viel herumlaufen und hat auch einen schönen Ausblick. Ich habe die Umgebung erst einmal genossen und bin eine Weile dort sitzen geblieben.

Wenn man dann durch Flochberg läuft muss man sehr auf die Beschilderung achten. Sie ist hier nicht optimal. Ich habe sie auch oft verpasst, weil ich die Umgebung angeschaut habe anstatt darauf zu achten wann ich wo abbiegen muss. Und dann laufe ich durch das Wohngebiet aus Flochberg hinaus. Ein Schild an einem Holzstab zeigt geradeaus über das Feld Richtung Wald. In der Nähe wäre noch ein Berg gewesen mit dem Auswurf des Meteoriten, der im Nördlinger Ries vor Millionen Jahren nieder gegangen ist. Man erkennt das Gestein mit ein bisschen Übung. Es ist erst auseinander gebrochen durch den Aufprall und dann durch die Hitze zusammen geschmolzen. Und so sieht es anders aus als das Gestein, das man sonst auf der Alb sieht. Nun geht es lange durch den Wald. Eine eher ereignislose Strecke. Durch den Wald laufe ich meistens auf breiten Waldwegen, was ein bisschen schade ist. Mit dem Traufweg bei Urach hat das nicht mehr viel gemein. Die Ostalb ist einfach nicht ganz so reizvoll. 

Dann komme ich auf eine freie Feldfläche vor Schweindorf und bin der bayrischen Grenze ganz nahe. Ein lustiger Stadtname. Es ist ein richtig warmer Tag und mein Rucksack ist heute schwerer, weil ich Gepäck für die Übernachtung mit dabei habe. Ich suche mir am Sportplatz vor der Schule daher ein schattiges Plätzchen auf dem Gras und esse mein Vesper. Ich bin froh um den Schatten. Die abnehmbaren Beine meiner Hose kann ich nun abmachen. Und das T-Shirt reicht auch aus. Was für ein Unterschied zu meiner ersten Tour im Schnee!

Ich schaue rüber zum Wald hinter Schweindorf. Dort ist die bayrische Grenze. Wie lustig. Die Reise in ein anderes Land. Ich verlasse heimisches Territorium. Als ich über die Grenze laufe komme ich bald an einen Zaun und simse einer Kemptener Freundin noch aus Spaß, dass ich nun die Grenze überquere und hier sogar ein Grenzzaun, jedoch ohne Wachtürme ist. Die spinnen die Bayern. Kurz darauf denke ich, ich steh im Film. Von weitem höre ich bereits Schüsse. Und ich stehe mitten in einem Wildschutzgebiet. Ich hatte mich schon gewundert, dass ein Hauptwanderweg mitten durch ein solches Gebiet läuft, mir aber nichts dabei gedacht, sondern mich auf das Wild gefreut, dass ich nun vielleicht leichter sehe und habe schon einmal meine Wanderstöcke eingeschraubt. Denn wenn man leiser durch den Wald geht sieht man eher Wild. Deswegen sehe ich auch oft Wild, wenn ich alleine unterwegs bin. Wenn man zu zweit wandert redet man jedoch auch und sieht so seltener die Tiere. 

Und dann sehe ich sie: eine Gruppe Wildschweine mitten auf dem Weg. Ich habe sie gerade noch rechtzeitig gesehen bevor sie mich sehen. Sie sind zwanzig Meter vor mir. Ich drehe leise um und schleiche mich davon, biege nach rechts ab und setze mich erst einmal auf ein paar Baumstämme. Was soll ich machen? Wenn Wildschweine Junge haben können sie sehr unangenehm werden. Zumindest habe ich das gehört. Selbst erlebt habe ich das zum Glück noch nie. Man sagt, man solle sich auf keinen Fall zwischen eine Wildschweinmutter und ihr Junges stellen. Aber wie verhält man sich? Rennen sie weg, wenn man Lärm macht? Und was wenn nicht? Ich beschloss erstmal eine Weile zu warten, holte mein Buch aus dem Rucksack und las eine Stunde auf den Baumstämmen. Dann lief ich zum Weg zurück, aber die Wildschweine waren immer noch da. Ein Blick auf die Karte hatte mir gezeigt, dass ich nicht auf dem Weg mit den Baumstämmen weiter laufen konnte, dass es eigentlich gar keinen anderen Weg als den der Wildschweine gab. Nach unten ging auch ein Weg und dort war eine Waldlichtung. Ich hörte wieder Schüsse. Na toll, da kann ich mich also entscheiden zwischen Wildschweinen, die ihren Nachwuchs verteidigen und einem Jäger, der mich abknallt. Zum Glück habe ich einen signalblauen Rucksack auf. Vielleicht erkennt mich der Jäger dann als Mensch. Ich war in einer Zwickmühle. Ob die Wildschweine tatsächlich Junge hatten konnte ich nicht sehen, darauf bauen, dass sie bei Lärm weglaufen wollte ich genauso wenig, aber abgeschossen werden wollte ich auch nicht. Am Tor stand ja das Betreten sei auf eigene Gefahr, man betritt ein Wildgehege des Fürsten Wallersteins. Das war wohl wörtlich gemeint. Ich nahm all meinen Mut zusammen und lief langsam und möglichst lautlos den Weg nach rechts runter zur Lichtung und dann links zwischen Wald und Lichtung entlang, also parallel zum eigentlichen Weg. Von dort aus lief ich der Nase nach durch den Wald so weit wie ich die Wildschweine vermutete. Im Hintergrund hörte ich wieder Schüsse. Prost Mahlzeit. Im Wald sehe ich massenweise Wildschweinspuren, auch eine matschige Vertiefung, in der sie sich wohl geaalt haben. was wenn es ein zweites Rudel Wildschweine im Wald gibt und die von rechts kommen? Dann schaue ich nach links und sehe hinter den Bäumen die Wildschweine auf dem Weg. Sie haben tatsächlich Junge dabei. Zum Glück habe ich das mit dem Lärm machen nicht ausprobiert! Ich schleiche mich weiter durch den Wald. Die Wildschweine stehen auf einer Art Anhöhe und der Weg fällt danach ab. Irgendwann biege ich wieder auf den Weg, blicke nach links und sehe tatsächlich keine Wildschweine. Ich bin erleichtert und schraube wieder meine Wanderstöcke auf, setze sie jedoch noch nicht, um keinen Lärm zu machen. Man weiß nie. Und dann höre ich plötzlich neben mir links im Gebüsch Geräusche von einem Eber. Ich sehe ihn nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas anderes ist. Ich gerate in Panik. Der Ebert klingt nicht freundlich und er klingt ein wenig aufgebracht. Ich habe ihn sicher nicht erregt, aber wer weiß was passiert ist. Und die Geräusche sind verdammt nah. Ich nehme meine Stöcke in Habachthaltung und beschließe mich im Notfall zu verteidigen, laufe aber gleichzeitig so schnell und leise wie ich kann. Es ist ein schnelles Gehen, kein Rennen, da ich trotz allem auf keinen Fall die Aufmerksamkeit auf mich ziehen will. Bloß nicht auf einen Ast treten. Der Weg ist steinig und schwer und der Eber läuft in die gleiche Richtung wie ich. Umkehren will ich aber auch nicht. Ich laufe den Weg runter und da ist das rettende Tor. Ich laufe hindurch und schließe es hinter mir. Das Schild "Betreten auf eigenen Gefahr - Fürst Wallerstein" schließt hinter mir. Na von dem Fürst habe ich erstmal die Nase voll. So etwas habe ich echt noch nie erlebt! Ich war erleichtert aber trotzdem hatte ich so eine Art Hochgefühl, weil ich das Abenteuer erfolgreich bestanden hatte. Ein wenig paradox ist das schon, aber so etwas eignet sich natürlich hervorragend zum Angeben. Ein Grinsen mischt sich in die Erschöpfung.

Gleich drauf komme ich zu Christgarten, das eine Kirchen- und Klosterruine beherbergt. Es ist ein Bild wie aus dem Paradies und so sehr ein Gegensatz zu dem was ich gerade erlebt habe, dass ich dankbar die friedliche und blühende Landschaft in mich aufsauge. Überall blühen gelbe Blumen, es ist ein Meer aus gelben Blumen. Der Weg führt über einen hölzernen Steg, die Luft trübt ein wenig die Sicht, ich laufe wie mit einer Weichzeichnerlinse vor den Augen. Die Ruinen sind romantisch jenseits jeglicher Vorstellung und wirken wie aus einer weit zurück gelegenen Geschichte. Ich lasse mich nieder und schaue auf den blühenden Friedhof. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um mich von dem Schrecken zu erholen und habe Christgarten in vollen Zügen genossen. Christgarten ist wirklich sehr idyllisch gelegen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich Nördlingen gar nicht von oben gesehen habe, obwohl ich an der Stadt (zumindest von weitem) vorbei gelaufen bin. Schade, der Daniel, Nördlingens hoher Kirchturm, hätte bestimmt auch von hier oben gut ausgesehen.

Der Rest des Weges verlief harmlos. Bei Anhausen sehe ich hinten eine schöne Wacholderwiese und laufe am Karlshof vorbei, einem idyllisch gelegen Bauernhof und treffe hier auf den Main Donau Weg, der mich eine ganze Weile begleiten wird. Auch eine gute Idee. Diesen Weg werde ich mir merken, vielleicht laufe ich ihn eines Tages. Hier muss ich die Karte wechseln. Zum ersten Mal verwende ich eine Karte vom bayrischen Landesvermessungsamt. Ich finde sie ist übersichtlicher gestaltet, weil nicht so viele Zeichen untergebracht sind, die den Blick auf den Weg versperren. Allerdings hat man so keine Freizeitinformation auf der Karte. So oder so, jede hat etwas für sich. Es geht erfreulich ereignislos lange durch den Wald. Leider ist der Weg auch etwas langweilig. Und dann sehe ich sogar den Kirchturm von Nördlingen. 

Vor Mönchsdeggingen komme ich an eine Quelle mit einer Madonnenstatue und treffe eine Radlerin, die ihren Hund auf dem Rücken im Rucksack hat. Wir unterhalten uns und sie erzählt (mit deutlich bayrischen Dialekt - ich bin endgültig in einem anderen Bundesland angekommen), dass sie einen Ausflug manchmal nicht anders machen kann, wenn sie lange Strecken ohne Auto zurücklegen muss. Da muss der Hund eben in den Rucksack. Ich habe nicht den Eindruck, dass ihn das stört. Ganz im Gegenteil.

Kurz danach sehe ich schon das Kloster von Mönchsdeggingen. Ich bin da! Langsam wird es für meine Füße auch Zeit. Ich spüre die lange Strecke und den schwereren Rucksack. Diese Kombination bin ich nicht gewöhnt. Ich laufe an einem typischen Albhang entlang, der mit Wacholderbüschen bewachsen ist und dann rein nach Mönchsdeggingen. Dank google Maps habe ich auch einen Stadtplan dabei. Ich übernachte im Ferienhof Monika Reinnisch und habe ihn auch gleich gefunden. Auf dem Weg dorthin ist mir ein Gasthof aufgefallen mit einer interessanten Speisekarte. Frau Reinnisch zeigt mir meine Zimmer, denn eigentlich habe ich eine kleine Ferienwohnung zu einem Spottpreis gemietet. Es ist eben noch nicht richtig Saison. Hier kann man Ferien auf dem Bauernhof machen. Hasen, eine Gans, Katzen und ein Pony waren auch da und ein Misthaufen im Hof. Und eine Küche in der Ferienwohnung gab es auch. Richtig nett. Ich bin aber nochmals zurück in den Ort, habe erkundet wo es einen Supermarkt gibt, damit ich weiß wo ich morgen ein Vesper und Wasser kaufen kann, und bin dann in einem Gasthof eingekehrt. Zuerst war ich der einzige Gast und die Eigentümerin hat mir erzählt wie sie ein Kunde heute Nachmittag um 20 Euro betrogen hat. Sie war immer noch ganz von den Socken. Ich bestellte ein Bier und das einzige vegetarische Gericht. Gebackener Camembert und Salat. Der Salat war ausgezeichnet. Es kamen noch zwei Gäste, die Fußball schauten und sich darüber unterhielten, dass die Schulgebäudesanierung teurer wird als angenommen und keine Gelder dafür da sind. Lokaler Tratsch und ich werde sogar darin eingebunden. Das hat mir gefallen.

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