Samstag, 14. April 2012

7. Etappe: Gingen an der Fils – Heubach

Wegverlauf: Gingen – Kuchalb – Messelstein – Weißenstein – Heubach

Weglänge: 27,5 km


Anfahrt: Mit der Direktverbindung von Stuttgart nach Gingen an der Fils.

Rückfahrt: Mit dem Bus nach Böbingen an der Rems und von dort mit dem Zug nach Stuttgart.

Gelaufen am: 13.04.2011

Ab hier beginnt für mich absolutes Neuland. Hier bin ich noch nie auf der Alb gelaufen. Ich bin gespannt wo mich das hinführt. Heute habe ich auch zum ersten Mal meine Kamera dabei, weil mich Freunde und Familie bereits durchlöchert haben mit ihren Fragen wo ich denn laufe und ob ich Photos hätte. Bisher habe das nicht für nötig erachtet, weil ich eh schon alles kannte und von diversen anderen Touren Bilder hatte. Und das tausendste Photo von Bad Urach wollte ich nicht machen. Aber ok, da wollen Leute virtuell mit mir mitreisen. Und sie sollen ihre Bilder bekommen.

Nach Gingen ging's früh. Zum einen hat mich der letzte Bahnstreik darauf gebracht, dass eine frühe Anfahrt richtig viel bringt beim Wandern und zum anderen habe ich nach Gingen eine einstündige Direktverbindung. Was will man mehr? Um 8 Uhr stand ich im Wald. Ja, der Bahnstreik. An sich verständlich, aber auch lästig, weil er jedes Jahr stattfindet. Und dann gab es da einen Tag, an dem so halb gestreikt wurde, damit die Berufstätigen noch rechtzeitig zur Arbeit kommen. An dem Tag wollte ich auch wandern gehen. Und hab ich geflucht, als ich las wann die Züge aufhörten zu fahren. Und so bin ich das erste Mal in meinem Leben zum Wandern um kurz nach sieben im Zug gesessen. So früh aufzustehen für einen Tag Freizeit ist gewöhnungsbedürftig. Aber es hatte sich gelohnt! Ich hatte eine satte Stunde mehr vom Tag, kam weiter als sonst und überhaupt fand ich die Morgenstimmung klasse. Seitdem bin ich also früh zum Wandern unterwegs. Dem Bahnstreik sei's gedankt.

In Gingen also am Bahnhof die Treppe runter und links unter der Bahn durch, dann gleich wieder nach rechts die geschwungene Straße hoch. Diese verwandelt sich quasi augenblicklich in einen Waldweg. Und dort haben mich schon die ersten Blumen erwartet. Die schönen Blumen waren auch ein Grund, warum ich die Kamera mitgenommen hatte. Die meisten kenne ich nicht beim Namen, da ich mir darüber noch nie wirklich Gedanken gemacht habe. Aber wenn man älter wird interessiert man sich plötzlich auch für andere Dinge. Also hatte ich mir vorgenommen die Blumen zu photographieren und in meinem Buch, das ich noch aus Kindertagen besitze, "Was blüht denn da" anschließend nachzuschauen, oder meine Mutter zu fragen. Die kennt sie meistens auch. Gleich am Anfang hat mich der Waldmeister begrüßt, gleich daneben der Bärlauch. Ende der 70er Jahre gab es zu Hause immer Waldmeisterbowle. Ein Getränk, das heute komplett Out ist. Das kann sich aber auch ganz schnell ändern. Der grauenvolle Jägermeister ist ja plötzlich auch wieder modern seitdem sie die Werbung auf cool gemacht haben. Weiter geht es mit einem wahren Feuerwerk an Blumen - alle in direkter Nähe: Lerchensporn, Veilchen, Anemonen, Taubnessel, Wolfsmilch und als ich auf dem Berg angelangt bin sehe ich auf einer Lichtung Wiesenschaumkraut, weiter vorne am Wegesrand Schlüsselblumen. Natürlich weiß ich den Großteil davon nun erst im Nachhinein. Der Berg hat es in sich. Es ist ein richtiger Vulkankegel und entsprechend steil. Gestern hat es geregnet und das sieht man heute noch. Die Wolken hängen noch tief und in den Bäumen. Eine schöne Morgenstimmung. Als ich weiter laufe komme ich auf eine Weide, auf der Schafe stehen. Auf sie scheint die Sonne, die sich einzelne Bahnen durch die Wolken ergattert hat.

Und zur linken Seite habe ich einen phänomenalen Blick auf die Berge, die vor mir liegen. Die Kuchalb sieht wunderschön aus. Die tief hängenden Wolken geben dem Ganzen ein mystisches Aussehen. Ich stehe eine ganze Weile dort, photographiere was das Zeug hält und bin glücklich die Kamera nun doch mitgenommen zu haben. Es sind einige einzelne Berge zu erkennen, nicht nur ein lang gezogener Trauf, wie das an anderen Stellen der Fall ist.

Weiter geht es durch den Ort Kuchalb. Man hätte ihn auch Kuhalb nennen können. Hier wird Rinderzucht betrieben. Und dann bin ich im Kretschmannländle. Wie wenn unser erster grüner Landesvater schon seit Jahren gewählt wäre und nicht erst dieses Jahr sieht es hier aus. Windräder. Ich wollte schon immer mal direkt unter einem stehen und herausfinden, wie laut sie sind. Doch der Weg biegt links ab. Mist. Auf der Karte sehe ich leider nix und denke, ich komme schon wieder an die Windräder ran. Leider nicht. Der Weg geht links an ihnen vorbei, aber ich werde sie noch fast den ganzen Tag sehen, was den Eindruck macht, dass ich nicht weit gelaufen bin, aber eine Strecke muss man eben nicht nur geradeaus gehen. Der HW1 führt hier wieder an den Albtrauf heran und auf einem schmalen Waldweg, der von frischem Grün gesäumt ist zu zwei wunderschöne Aussichtsfelsen: erst den Rötelstein und dann an den Meisselstein. Man kann ein wenig nach rechts schauen und ahnen wo man hinläuft. Ich bin neugierig. Und man steht hoch über dem Tal und hat so eine tolle Aussicht. Die Wolken hängen schon nicht mehr ganz so tief. Ich mache hier meine erste Rast und genieße den Blick.

Es geht nun immer weiter am Albtrauf entlang. Ein toller Weg. Und überall Blumen. Ich entdecke eine neue: die Frühlingsblatterbse. Ein Blau, das in ein Violett übergeht. Die Pflanze gefällt mir. Schließlich komme ich am Schloss Weißenstein an. Es ist gut erhalten, aber baufällig, das sieht man erst auf den zweiten Blick, wenn man gerne den HW1 weiter laufen will und davon abgehalten wird, weil die Brücke gesperrt ist wegen Einsturzgefahr. Ja, aber wie haben die das Baumaterial dann rüber gebracht? Ein Fall für mich. Ich lass mich nicht von so einer Absperrung abhalten und laufe vorsichtig über die Brücke. Na also, nichts passiert. Es geht dann eine Treppe den Hang hinunter in das Dorf Weißenstein zum Kirchvorplatz, auf dem ein großer und alter gusseiserner Wegweiser für den HW1 steht. Ein Vorbote aus Aalen, wo früher solche schönen Wegweiser hergestellt wurden. Die Adeligen hatten es etwas bequemer zur Kirche: vom Schloss führt ein überdachter und gemauerter Weg direkt zur Kirche. Frieren musste hier niemand und das Privileg war gesichert. Ich mache einen kleinen Abstecher in die schlichte aber schöne Kirche. Durch das Dorf findet man die roten Dreiecke sehr gut. Sie sind an jeder Hausecke zu sehen. Dann die Straße rüber und hier muss man genau schauen, da der Weg einen Verlauf nimmt, den man nicht oft hat: genau zwischen zwei Häusern durch, Treppe hoch und oberhalb der Häuser direkt am Zaun entlang zum Wald. 

Auf dem Weg treffe ich auf zwei braune Schafe. Sie fressen genüsslich ein paar Blumen aus dem Vorgarten und als sie mich sehen rennen sie ein paar Meter vor. Sie würden ja gerne wieder zu den Blumen zurück, nur ich laufe vorwärts und der Weg ist zu schmal, um aneinander vorbei zu gehen. So laufen sie immer wieder ein paar Meter vor, schauen zurück was ich mache und ich bin mir unsicher, ob das so gut ist. Ich will sie ja nicht in den Wald treiben. Ich laufe zurück, aber sie bleiben. Also laufe ich irgendwann einfach hoch und oben am Waldrand angelangt sind zwei Bänke, auf die ich mich setze. Die Schafe gehen aber nicht wieder runter. Offenbar gibt es hier auch interessante Pflanzen zum Essen. sie schauen etwas irritiert, weil ich immer noch da bin, fressen aber sonst in Ruhe ihre Kräuter und Pflanzen. Nachdem sie nicht von alleine runter gehen versuche ich sie dazu zu bringen, indem ich um sie rumkommen will, um sie nach unten zu treiben. Das ist aber gar nicht so einfach. Sie brauchen sehr viel Abstand zwischen mir und sich, wenn sie stehen bleiben, ansonsten laufen sie gleich mal einen Waldweg weiter hoch. Das wollte ich nun doch nicht. Ich mache also einen riesengroßen Bogen um die Schafe. Sie beäugen mich und ich sie. Und es klappt, ich bin oberhalb der Schafe! Sie laufen nicht weiter in den Wald hinein. Und schon haben sie mich vergessen. Der Mensch ist endlich weg und hier wachsen so viele Pflanzen! Sie essen einfach weiter und würdigen mich keines Blickes mehr. Sonderlich bekümmert sehen sie ja nicht aus.
Als ich oben aus dem Wald laufe stoße ich auf einen Bauernhof und werde prompt vom Wachhund gestellt. Ich versuche meine übliche Methode auf ihn einzureden, in der Hoffnung, dass er mich genauso vorbei lässt wie alle anderen Hofhunde zuvor. Aber der hier nicht. Ich bin verunsichert und rufe dem Bauern am Haus zu. Er kommt und nimmt der Hund etwas zur Seite. Ich spreche ihn auf die Schafe an. Er weiß sofort wem sie gehören. Die sind wohl schon öfters ausgebüchst und auch schon zwei Nächte fort. Ich bin beruhigt, dann werden sie vielleicht auch heute Nacht nicht vom Fuchs gefressen. Die haben's leicht mit dem Überleben draußen. Überall wächst was für sie. Der Mensch hätte es schwerer. Wahrscheinlich genießen sie ihre Freiheit.
Es geht nun lange durch den Wald. Er ist abwechslungsreich, aber es ist ungewohnt so auf dem HW1 zu laufen. Mir ist schon aufgefallen, dass es weniger Albtrauf gibt. Das hat langsam nach der Autobahnüberquerung angefangen und wird nun immer häufiger, ebenso wie Strecken, die mitten durch einen Wald gehen. Irgendwann komme ich zum Bargauer Kreuz. Ich mache eine Pause, um auf der Karte nachzusehen wie es weiter geht. Der Wald ist zu Ende. Es geht nun ins Himmelreich. Netter Name. Dahinter verbirgt sich eine gut besuchte Gaststätte und Herberge auf dem gleichnamigen Berg. Ich laufe aber ein Stück weiter zu einer Bank mit Aussicht, weil mir das besser gefällt als der Trubel. Nachdem ich die Aussicht ein wenig genossen habe lege ich mich auf die Bank und schlafe sogar für ein paar Minuten ein. Richtig schön hier draußen.

In der Senke vor dem Scheuelberg hat man zwischen den Bergen eine grüne Aussicht auf einen Funkturm. Ob das wohl schon Aalen ist? Ich weiß es nicht, aber die Vorstellung ist toll. Bald werde ich bei Aalen sein! Auf dem Scheuelberg sehe ich eine Pflanze, die ich noch nie zuvor wahrgenommen habe. In meinem schlauen Buch finde ich am Abend heraus, dass sie wildes Silberblatt heißt. Ein bisschen silbern schimmert sie schon. Und Weißwurz wächst hier auch. Am Bergende steht wieder eine Bank mit Aussicht. Der Blick runter auf Heubach. Die Bäume tragen schon frisches Grün. Die Aussicht ist freundlich und weit. Es gefällt mir hier.

Wie so oft geht es den Berg auf einem schönen schmalen Waldweg am Hang in Serpentinen runter. Ich liebe diese Abstiege. Heubach scheint mir ein netter Ort zu sein. ich brauche noch ein Brot für zu Hause und finde auch gleich eine kleine Bäckerei. Auf den Bus muss ich noch ein wenig warten. In der Nähe der Bäckerei gibt es ein öffentliches Klo. Sehr praktisch. Wenn auch nicht besonders sauber. Als ich an der Bushaltestelle warte höre ich aus dem Keller vom Pfarramt ein Schlagzeug.

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